Dienstag, 5. August 2008

Kunst - Ausdruck oder Einübung?

Kunst als Selbstausdruck? Selbstfindung? Selbstverwirklichung? Das sind eher westliche Vorstellungen. Wenn zum Beispiel ein chinesischer Kalligraph zum Pinsel greift, dann geht es meistens um andere Dinge.

Kalligraphie ist durchaus verwandt mit Meditation. Man sitzt gerade, sammelt seinen Atem, mit dem Ausströmen der Luft beginnt der erste Strich. Das Ziel ist zunächst nicht, einen eigenen Stil zu entwickeln, das ist den großen Meistern nach Jahrzehnten der Übung vorbehalten. Man versucht die Perfektion einer alten Tradition wieder zu erreichen. Es geht gerade darum, zur Ruhe zu kommen. Das eigene Ich tritt dabei zurück, es wird eher als störend erlebt, als etwas, das den ungehinderten Energiefluss hemmt. Das Qi, die Energie die beim Kalligraphieren in Harmonie gebracht werden soll, ist keine persönliche Energie. Sie durchströmt den Menschen ebenso, wie die äußere Welt. Es soll also nicht wie in der expressiven Malerei ein verborgenes Inneres nach außen kommen, was vielmehr angestrebt wird, das ist ein Gleichklang zwischen Innen und Außen.


Vor diesem Hintergrund lässt sich auch verstehen, warum sich in Ostasien manche Stile so lange gehalten haben und warum manche Maler ihr Lebenswerk weitgehend einem einzigen Motiv gewidmet haben. Was seltsam erscheint, wenn man Kunst als Zutagefördern einer inneren Welt versteht, das ergibt seinen Sinn, wenn es stattdessen darum geht, Gelassenheit zu finden, indem man ganz in einer Sache aufgeht.

Ich bin mir nicht sicher, welche von diesen beiden Auffassungen mich persönlich stärker anspricht. Ich denke, beide haben Einfluss auf mich, meine Arbeit und meine Vorstellungen von meiner Arbeit.

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