Donnerstag, 31. Juli 2008

Tango

Wenn ich in ein fremdes Land fahre, schaue ich immer vorher im Internet, ob es dort Tango gibt. Martina und ich haben Anfang der Neunziger Jahre diesen Tanz für uns entdeckt. Ein paar Jahre später – wir waren mittlerweile süchtig nach Tango – gingen wir für ein halbes Jahr nach Buenos Aires. Wir hatten Zeit. Wir hatten nichts vor, außer Tanzunterricht zu nehmen und Spanisch zu lernen. Schon bald merkten wir, dass der Tango uns ein Tor zu einer anderen Kultur öffnete. Mehr noch: Wir waren nicht Außenstehende, sondern Mitwirkende, auch wenn wir erst noch lernen mussten, nach welchen Regeln gespielt wurde. Wir ertanzten uns eine fremde Welt.

Wieder ein paar Jahre später gingen wir für ein Vierteljahr nach Istanbul, eigentlich nur um Türkisch zu lernen. Aber wir hatten von Freunden erfahren, dass dort gerade eine Tango-Szene im Entstehen war. Ich habe mir sagen lassen, dass diese Szene heute ziemlich groß ist, aber damals war es nur ein kleiner, familiärer Kreis (tango ailesi) – und wir waren gleich ein Teil dieser Familie. Die meisten waren türkische Intellektuelle in unserem Alter. Wir fühlten uns schnell heimisch – wir gehörten dazu.

Als wir dann nach China kamen, machten wir uns auch gleich auf die Suche nach der Tango-Szene. Wir hofften auch diesmal über den Tanz einen schnelleren Einstieg – diesmal in die chinesische Gesellschaft – zu schaffen. Das funktionierte leider nicht, es waren vor allem Ausländer wie wir, die in Beijing Tango tanzten. Aber das war nicht weniger interessant. Es war zwar nur eine kleine Szene, aber sehr bunt, sehr international und wir lernten Menschen aus aller Welt kennen.

Barcelona, Madrid, Hongkong, Bali. Ich finde es immer wieder faszinierend, in einem anderen Land mit wildfremden Menschen zu tanzen. Beim Tanzen zeigt man viel von sich, Körperempfinden, Nähe und Distanz, Geschmeidigkeit und Entschlossenheit, Gefühl für Rhythmus, für Spannung, für Ruhe. Tanzen kann eine intensive Kommunikation jenseits der Sprache sein. Es ist eine andere Art von Sprache.

Ich tanze mit einer Frau, die ich noch nie gesehen habe. Wir kommen aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt, wir wissen nichts voneinander, aber nach ein paar Takten sind unsere Körper im Gleichklang. Wir spüren die selbe Energie, die selben Töne bewegen uns.

Durch den Tango kann zwischen Fremden in kurzer Zeit Nähe entstehen.

Das hat er mit der Kunst gemeinsam.

Tanz und Malerei, aus beiden können Augenblicke intensiven Erlebens entstehen lassen, in denen Grenzen plötzlich zerfließen.

Wenn ich schon mehrmals meine Bilder in Tango-Studios ausgestellt habe, dann auch deshalb, weil ich zwei Bereiche zusammenbringen wollte, die in meiner Vorstellung ohnehin zusammangehören.

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