Dienstag, 23. September 2008

Visuelle Musik oder abstrakte Malerei?

Wenn ich meine Kunst beschreibe, dann verwende ich oft den Begriff "abstrakte Malerei". Dieser Begriff hat den Vorteil, dass er allgemein bekannt ist. Die meisten Menschen können sich darunter etwas vorstellen.

Kunsthistorisch gesehen macht es auch einen Sinn, von abstrakter Kunst zu sprechen. Schließlich war die europäische Malerei bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ausschließlich gegenständlich und erst im 20.Jahrhundert entfernte man sich immer weiter von der Vorstellung, ein Bild müsse etwas abbilden. Schritt für Schritt abstrahierte man den darstellenden Charakter der Kunst und so entstand schließlich die abstrakte Kunst, in der Farben und Formen nicht mehr dazu da waren, etwas nachzubilden, sondern selbst der eigentliche Gegenstand der Malerei wurden.

Der Begriff "abstrakte Kunst" erklärt sich also aus dem Gegensatz einer historischen Strömung zur vorangegangenen Kunstepoche. Er steht somit für eine Bewegung die von etwas wegführt. Das legt die Vorstellung nahe, als sei Malerei eigentlich immer abbildend und es bedürfe einer besonderen Anstrengung oder doch zumindest einer programmatischen Entscheidung, das zu ändern. "Abstrakt" bedeutet ja, dass man von etwas
abstrahiert, das ursprünglich da war.

So wie eine abstrakte Idee eine intellektuelle Leistung voraussetzt - man braucht dazu eben Abstraktionsvermögen - so scheint also auch die abstrakte Malerei nicht denkbar ohne einen komplizierten Abstraktionsprozess.

Genau das aber trifft auf die heutige abstrakte Kunst im Großen und Ganzen nicht mehr zu. Im Gegenteil: Abstrakte Malerei ist gerade die unmittelbare sinnliche Erfahrung von Farben und Formen. In diesem Sinne ist sie nicht abstrakt sondern sehr konkret. Sie ist unmittelbar erfahrbar, man braucht dazu keine Theorien. Es gibt eben nicht - wie der Begriff glauben macht - diesen negativen Bezug zu einem bestimmten Gegenstand.

Deshalb verwende ich nicht besonders gerne den Begriff "abstrakte Malerei". Ich spreche stattdessen lieber von visueller Musik. Auch Musik bildet normalerweise nicht eine außerhalb von ihr liegende Realität ab (Versuche in diese Richtung wie etwa bei Debussy blieben die Ausnahme). Auch Musik kommt ohne Bedeutungen aus. Sie repräsentiert nicht, sondern sie ist was sie ist.

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